Woher kommt das Durcheinander? Zuckerschwankungen erkennen und bekämpfen
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Woher kommt das Durcheinander? Zuckerschwankungen erkennen und bekämpfen

Meine Blutzuckereinstellung läuft ganz gut und sogar mein Diabetologe hat mich gelobt, dass er niemals so eine starke Veränderung in so einer kurzen Zeit erlebt hat. Eine Baustelle haben wir noch und das sind die Abende und die scheinbar unerklärlichen Schwankungen.



Mal bin ich bei 60mg/dl vor dem Schlafengehen, mal bei 210 mg/dl. In manchen Nächsten wache ich vor lauter Durst auf und muss mich erstmal von 250 mg/dl runterspringen und manchmal ist es morgens bei unter 60, sodass ich kaum aus dem Bett komme.


"Da ist ja überhaupt keine Regelmäßigkeit", sagte mein Arzt und bat mich, nun ganz genau zu protokollieren, was ich abends esse, in welcher Menge, was ich tue und wie es mir geht. Denn meine Werte waren abends vollkommen durcheinander und ich man konnte weder die Basalrate noch den Bolus verändern, da es von Tag zu Tag unterschiedlich war.


Mir war sofort bewusst, woran diese Schwankungen lagen. Zumindest machte es klick, nachdem ich zu hören bekommen habe, dass dies die vorerst letzte Baustelle in meiner Einstellung war. Das Abendessen bzw. das Naschen danach.


Ich gebe zu, dass ich in vielerlei Hinsicht kein vorbildlicher Diabetiker bin und ich meine Ernährung und Verhaltensweisen bisher nicht an den Diabetes angepasst habe, sondern andersherum. Daher gibt es bei uns auch viele Kohlenhydrate zum Abendessen und vor dem Fernseher dann nochmal etwas, worauf ich gerade Lust habe. Und wohl oder übel musste ich mir eingestehen, dass ich dieses Verhalten doch nicht so leicht mit bisschen Insulin kontern können werde.


Herr Doktor meinte zu mir, dass ich das entweder unterlassen muss oder ich muss anfangen mich danach zu bewegen, sodass der Zucker im Rahmen bleibt. "Sie entscheiden, ob Sie um 22 Uhr noch einmal spazieren gehen wollen oder nicht." Ich wohne in Pforzheim. Dass ich nicht will, muss ich hoffentlich nicht erwähnen.



Und schon an diesem Abend habe ich versucht, mich anzupassen. Ich habe mir direkt nach dem Abendessen eine Schale Erdnussflips abgewogen, gespritzt und bin unter die Dusche gehüpft. Als ich dann endlich auf der Couch saß, war der Spritz-Ess-Abstand ideal und ich konnte meine sparsame Portion von 40 Gramm genüßlich futtern.

Ich habe danach diesen Süßigkeitenschrank angesehen und fast geweint. Ich esse wirklich super gerne Süßes. Und Salziges. Gerade abends überkommt es mich dann und ich esse und esse und esse. Was eigentlich kein Problem wäre, wenn ich dadurch nicht 4x innerhalb von 1 Stunde spritzen würde. Das ist nämlich das, was so ein Chaos in meine Werte gebracht hatte.


Ich musste lernen, mich zu entscheiden, was ich essen möchte und wie viel. Ich musste dafür mein Insulin spritzen und danach aufhören. Die Herausforderung war für mich, dass ich nicht mehr essen konnte, bis ich keine Lust mehr hatte oder eben noch Nachschub zu holen. Dieses Genuss-Essen von Süßigkeiten musste eingegrenzt werden. Und das viel mir wirklich sehr schwer.



Einerseits merkte ich spürbar, wie mein Körper nach Zucker verlangt, denn ich hatte irgendwann angefangen mir auf Arbeit einen Nachtisch zu gönnen. Zu jeder Mahlzeit habe ich auch etwas Süßes gegessen, weil ich sonst das Gefühl hatte, nicht genug zu bekommen. Ich fühlte mich, als sei ich auf Diät gesetzt worden und das müsste man mich nun wirklich nicht.

Nach einigen Tagen merkte ich, dass mir das aber auch nicht hilft, weil ich einfach am Abend etwas genießen wollte. Ich wollte aber nicht so viel Insulin spritzen. Mein Herz blutet, wenn ich 12 Einheiten eingebe und der Bolusrechner mit gefühlt 2ml Insulin abgibt. Ich fühle mich einfach mit solchen Insulinmengen nicht wohl (zur Info: mein Basalinsulin liegt bei 18 Einheiten pro Tag und meine schwächste Korrektur bei 280mg pro Einheit). Meine einzige Option war es, weniger Kohlenhydrate beim Abendessen zu essen.

Und das fiel mir erstaunlicherweise leicht. Ein großer Salat mit Feta, gefüllte Paprika mit Hackfleisch und Gemüse, Joghurt mit Obst usw. damit ich nicht möglichst viel Luft habe, um nasche zu können.


Dieser Schritt war für mich riesig. Ich muss auch zugeben, dass ich mich nicht jeden Tag daran halte, was sich natürlich sofort bemerkbar macht und ich rege mich jedes Mal über mich auf, wenn ich mir nicht einfach vorher eingestehen kann, dass ich noch etwas essen will und nicht so tun muss, als ob mir das, was ich jetzt vor mir habe reicht.

Trotz der Disziplin, die ich jetzt in meine abendliche Essroutine gebracht habe, schwankt der Zucker trotzdem manchmal. Das ist zwar normal, denn nicht jeder Tag ist gleich und manchmal ist im Inneren etwas nicht in Ordnung, was man äußerlich noch nicht spürt, wie z.B. Krankheiten, Hormonschwankungen, Stress etc.


Weil wir meistens erst nach 19 Uhr zu Abend essen, ist der Bolus immer noch wirksam, wenn ich schlafen gehe, sodass ich eventuell hohe Werte nicht runterspritzen kann bzw. dafür immer extra länger wach bleiben müsste. Das nervt mich extrem, vor allem weil es zeitlich kaum machbar ist, früher zu Abend zu essen, wenn ich arbeite. Deswegen habe ich mir angewöhnt, nach 1,5 bis 2 Stunden nach dem Essen, also wenn mein Insulin noch mindestens eine Stunde wirksam ist, den Wert zu prüfen. Ich zähle das dann auch als meinen letzten Wert des Tages. Wenn ich merke, dass mir dieser zu hoch ist, fange ich an mich zu bewegen. Ich bringe den Müll runter, hänge Wäsche ab, laufe beim Zähne putzen durch die Wohnung, sortiere Wäsche und lege Sie in die Waschmaschine, turne durch das Schlafzimmer und suche mir raus, was ich am nächsten Tag anziehe. An manchen Tagen mache ich vor dem Fernseher noch Balance Übungen, wenn ich zum Beispiel nichts mehr im Haushalt zu tun habe, denn ich habe festgestellt, dass diese Art von Bewegung sich sehr gut auf meine Werte auswirkt, während alles, was den Puls ansteigen lässt, mich eher in die Höhe schießen lässt.


Das scheint jetzt vielleicht alles sehr logisch und banal zu sein und für jemanden, der nicht weiß wie ich früher gelebt habe, vollkommen unerklärlich. Wahrscheinlich verstehen auch die, die wissen, wie ich früher mit meinem Zucker umgegangen bin nicht, was jetzt hieran so schwer gewesen sein soll aber für mich ist es eben ein großer Schritt. Ich muss mich entscheiden: will ich essen und Unmengen spritzen, essen und mich bewegen oder lasse ich es ganz. Es fällt mir schwer, weil es in meinem Umfeld nie feste Regeln gegeben hat. Das Abendessen wurde nicht zu festen Uhrzeiten aufgetischt (zumal es bei uns eh immer etwas Warmes zu Abend gab) und am Wochenende wurde auch mitten in der Nacht gegessen. Wenn jemand naschen möchte, konnte und durfte er das immer tun und auf eine besondere Ernährung wurde auch nicht geachtet. Obwohl ich möglichst gesund koche, sind das Gewohnheiten, die sich meine ganze Kindheit und Jugendzeit über entwickelt haben und wenn ich ehrlich bin sind das Sachen, auf die ich mich freue. Ich belohne mich am Ende eines Tages eben gerne mit etwas, was ich sehr mag und das ist nunmal Essen und damit leider auch ganz viel, was eben nicht immer super für meinen Zucker ist. Ich bin jetzt auch sehr viel strenger, als ich es sein müsste, denn ich will meinen Zucker so schnell wie möglich in den Griff bekommen und eine gute Einstellung haben und einfach wissen, wenn mal etwas ausartet, dass ich ganz alleine Schuld daran bin. Dieser Beitrag soll kein Ergebnis oder ein Ziel darstellen, ich möchte mir auch nicht selber auf die Schulter klopfen oder andere animieren, etwas besser zu machen. Es soll vielmehr ein Einblick sein, wie kniffelig es manchmal mit Diabetes sein kann und vielleicht denkt sich der ein oder andere T1-er, wenigstens bin ich nicht alleine.


XX Valentina

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