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Typ 1 Diabetes und Schwangerschaft - "das muss geplant sein"

"Sie werden keine gesunden Kinder haben" waren die Worte meines Arztes, als ich ihm mitgeteilt habe, dass mein Mann und ich irgendwann mal ein Kind möchten. Und nach diesem Termin haben wir angefangen, meine Diabeteseinstellung auf eine Schwangerschaft vorzubereiten. Da der Lesestoff im Internet dazu wirklich mager ist, teile ich meinen Weg mit euch. Und was Zuckerjunkies, Typfrage und Type-one-derful damit zu tun haben, erfahrt ihr auch.


Ich habe bereits in vorherigen Beiträgen hier auf meinem Blog darüber geschrieben, dass ich vergangenes Jahr die Praxis gewechselt habe, die mich diabetologisch betreut. Das hatte aber nichts mit der Ärztin zu tun, bei der ich vorher war, sondern lag an unserem Umzug 2020 (ja, ich habe fast 2 Jahr nach einem neuen Hausarzt / Diabetologen gesucht).


Bei meinem ersten Termin in der neuen Praxis hat sich die Diabetesberaterin erst einmal ein ausführliches Bild von meinem allgemeinen Gesundheitszustand gemacht. Dabei ist sie u.a. darauf eingegangen, wie es mir allgemein mit meiner Diabeteserkrankung geht und ob ich direkte Wünsche im Bezug auf die Therapie habe. Dabei habe ich erwähnt, dass wir in der nächsten Zeit Kinder möchten. Die Reaktion des Arztes war daraufhin folgende: "Das wird aber vor 2024 nichts. In ihrem aktuellen Zustand werden Sie, falls es überhaupt zu einer Schwangerschaft kommt, keine gesunden Kinder haben."


Ich wusste, dass ich in keiner Weise den Zielwerten einer Schwangeren entspreche, jedoch hat die Aussage des Arztes mir erst bewusst gemacht, wie schlecht mein Zustand aus medizinischer Sicht ist und vor allem, wie lange der Weg wird, bis wir "es" überhaupt versuchen dürfen. Da der Kinderwunsch vorerst nicht so groß war und wir das Thema erst ganz langsam angehen wollten, war auch klar, dass wir kein bewusstes Risiko eingehen wollten. Da aufgrund meiner Vorerkrankung schon genug Risiken und Eventualitäten eintreten können, wollte ich einfach alles, was möglich war, ausschließen. Daher sollte das Thema auch erst dann wieder aufkommen, wenn aus gesundheitlicher Sicht nichts mehr dagegen spricht.


Da mein erster Termin kurz vor unseren Flitterwochen war, haben wir festgelegt, dass ich während dem Urlaub noch so weitermache, wie bisher. Wenn ich zurück bin sollte ich wieder anfangen meine Mahlzeiten zu wiegen, um den Bolusfaktor zu prüfen und um meine Schätzfähigkeiten zu prüfen. Hier kam nach wenigen die erste knallharte Erkenntnis: ich kann nicht mehr schätzen und mein Bolusfaktor ist für'n A...

Ich musste feststellen, dass ich keine Ahnung habe, wie viel eine Brezel wiegt, wie viele Einheiten für Kartoffeln korrekt sind und dass ich meine Mahlzeiten mit viel zu wenig Einheiten berechne, gleichzeitig aber durch den viel zu starken Bolusfaktor vergleichsweise viel zu viel Insulin bekomme.

Dadurch, dass ich wieder ein ganz klassisches Blutzuckertagebuch führen sollte, wo ich auch vermerken sollte, was ich esse, haben wir schnell rausfinden können, wie ausgewogen meine Ernährung ist, ob ich eher zu schnellwirksamen Kohlenhydraten greife oder eher Lebensmittel esse, die langsam ins Blut gehen. Nach etwa 6 Wochen hatte ich meinen zweiten Termin, bei dem wir bereits einige Einstellungen ändern konnten.


Nachdem mein Bolusfaktor drastisch gesenkt wurde ist eine neuer Punkt klar geworden: da ich vorher immer zu wenig Bolusinsulin gespritzt habe, hatte ich gegen die hohen Werte eine starke Korrektur und ne große Menge Basalinsulin. Dadurch, dass die Mahlzeiten jetzt korrekt berechnet werden, ist klar geworden, dass ich extrem viel Basalinsulin bekomme. Meine Basalrate wurde teilweise von 1,6 E/h auf 0,5 E/h reduziert. Könnt ihr euch vorstellen, wie viel weniger Insulin ich plötzlich verbraucht habe?


Ich bin alle 4 bis 6 Wochen in der Praxis gewesen, was die Einstellung natürlich viel schneller verbessert hat. Einerseits hat das dafür gesorgt, dass ich viel strenger auf alles geachtet habe, weil ich wusste, dass ich bei 28 Tagen, die zwischen den Terminen lag, nicht viel Puffer für heute-ist-mir-mein-Zucker-egal-und-ich-esse-was-und-wie-ich-will-Tage habe. Andererseits wusste ich auch, dass jedes kleine Unstimmigkeit in meiner Einstellung sofort aufgedeckt wird und wir dem Ziel näher kommen.


Zeitgleich habe ich begonnen, mich mehr mit dem Thema Diabetes zu beschäftigen. Ich habe im Internet gesucht und wenig gefunden. Blogbeiträge sind meistens von Ärzten, Krankenhäusern und medizinischem Fachpersonal geschrieben, was inhaltlich alles korrekt ist aber dafür sehr theoretisch. Erfahrungsberichte von leibhaftigen Typ-1ern sind eher rar und somit auch der Austausch, was sehr schade ist. Fündig geworden bin ich bei Sascha von Zuckerjunkies. Hier hat der Podcast "Diabetes und Schwangerschaft" mir einen guten ersten Einblick über diese Thematik gegeben. Um einer guten Einstellung näher zu kommen haben

mir folgende Podcastfolgen sehr geholfen: Time in Range - Zeit im Zielbereich vs HbA1c, Was bringt dein Blutzucker in den Keller


Und einer, der aller besten und wichtigsten Podcasts im Bezug auf Diabetes und Schwangerschaft: Ungeplant Schwanger mit Typ 1 Diabetes

Denn dieses Thema wird im großen weiten Netz des Internets kein einziges Mal von Fachpersonal thematisiert, weil es nicht passieren darf. "Eine Schwangerschaft mit Diabetes muss geplant sein." Nur spielt das Leben eben manchmal nicht nach dem "Muss", weshalb ich Saschas Beitrag hierzu einfach wundervoll finde.


Eva und Tina vom Podcast Type-one-derful haben einen Erfahrungsbericht über Schwangerschaft mit Diabetes Typ 1 auf ihrem Podcast-Kanal (und noch ganz viel mehr).


Freddie und Kim von Typfrage haben natürlich auch einen interessanten Podcast zu dem Thema.


In den folgenden Terminen wurden dann immer mehr Feineinstellungen gemacht. Nachdem ich die Pille abgesetzt hatte, mussten wir teilweise von vorne anfangen, da die Hormonumstellung ziemlich großes Chaos verursacht hat. Mehr dazu könnt ihr in meinen Berichten zum Absetzen der Pille Teil 1, 2 und 3 nachlesen.


Zugegeben war ich sehr motiviert und habe alles dafür getan, möglichst schnell an dem Punkt zu sein, entscheiden zu können, wann wir ein Kind möchten. Die Tatsache, dass es aus medizinischer Sicht nicht geeignet wäre, schwanger zu werden, hat mich nicht nur traurig gemacht sondern auch ein wenig eingeengt, weil es mir die Freiheit genommen hat, zu entscheiden, wann es soweit sein soll. Dazu kam, dass 2024 so weit weg klang. Schließlich waren das mehr als 14 Monate und nur, weil man wir es dann hätten probieren dürfen, heißt das ja nicht, dass es auch gleich klappt. Denn auch darauf hatten mich meine Ärzte vorbereitet: es dauert durchschnittlich 6 bis 12 Monate, bis eine Frau schwanger wird (mehr dazu hier). Natürlich war mir auch klar, dass ich jung bin und aus biologischer Sicht keinen Zeitdruck habe, aber trotzdem war die Vorstellung nicht schön, mindestens 2 Jahre warten zu müssen. Ganz besonders, weil man ja nicht weiß, wann einen der Wunsch nach Nachwuchs packt.


Jetzt bin ich aber etwas vom Thema abgekommen, daher noch einmal zurück zum Thema Motivation. Ich habe ziemlich viel dafür getan, schnell gut eingestellt zu werden. Ich habe sehr genau protokolliert, immer weniger auswärts gegessen bzw. bestellt, ich habe aufgehört zu rauchen und kaum noch Alkohol getrunken (um den HbA1c gut zu halten). Ich habe mehr auf meine Ernährung geachtet und aufgehört querbeet zu spritzen (weil davor habe ich auch während aktives Insulin wirksam war, erneut gespritzt).


Nach einigen Monaten hat man mir auch gesagt, dass ich bei grenzwertig hohen Werte (also noch keine Korrektur notwendig, aber bald) versuchen soll, mit Bewegung zu reagieren. Dafür musste ich herausfinden, was meinen Blutzucker "natürlich" absenkt. Zum Beispiel hilft mir Yoga, Treppensteigen oder langsames Laufen, während Sportarten bzw. Bewegung, die den Puls ansteigen lässt, tendenziell auch meinen Zucker ansteigen lässt. Hierzu hab ich übrigens diesen interessanten Podcast von Zuckerjunkies gehört.


In der Zwischenzeit hatte ich mich auch bei meiner Gynäkologin informiert. Sie hat mich darauf hingewiesen, notwendige Impfungen auffrischen zu lassen und früh mit der Einnahme von Folsäure zu beginnen. Dies tat ich noch während ich die Pille genommen habe. Als ich von meiner Schwangerschaft erfahren habe, habe ich Folsäure bereits seit 6 Monate eingenommen.


Die Pille hatte ich vor mehreren Monaten abgesetzt, Nichtraucher war ich seit 6 Monaten, hatte 4 Monate kein Tropfen Alkohol getrunken und mein Hb1C lag bei 6,8. Mein Arzt war relativ ziemlich zufrieden und meinte, aus seiner Sicht spricht nichts mehr dagegen. Da er aufgrund verschiedener Faktoren davon ausging, dass es eh noch einige Monate dauern wird, bis ich mit der frohen Botschaft um die Ecke komme, würden wir Kleinigkeiten noch im Laufe der Zeit anpassen.


Wir hatten einen Termin für in 8 Wochen ausgemacht, wo ich einen der Sensoren zur Probe bekommen sollte, sodass wir den Antrag bei der Krankenkasse einreichen, bevor ich schwanger bin, sodass ich vom ersten Tag an mit einem CGM-System "überwacht" werde.



Zu diesem Termin kam ich dann aber schon mit einem positiven Schwangerschaftstest.


Das ganze Thema Schwangerschaft werde ich in mehreren verschiedenen Posts aufgreifen und genauer auf alles eingehen, weil es auch hierzu nicht allzu viel hilfreiches Material gibt.


Ich bin unglaublich zufrieden mit der Herangehensweise der Praxis. Natürlich kann nicht jeder von diesem Glück berichten, daher teile ich meinen Weg mit euch, sodass auch die, die sich mehr oder weniger selbst therapieren müssen, eine Hilfestellung bekommen. Hier noch einmal ein Überblick mit den hilfreichsten Änderungen auf meinem Weg:


1. Mahlzeiten wiegen und damit den Bolusfakor + das eigene Schätzverhalten prüfen.


2. Anschließend die Basalrate prüfen (ggbf. auch mit Basaltests)


3. alle nachvollziehbaren Hyper vermeiden (bei mir: Alkohol, auswärts essen) und somit Hb1C niedrig halten.


4. herausfinden, welche Lebensmittel keine starken Blutzuckeranstiege verursachen und welche Art von Bewegung / Aktivität den Zucker auf natürliche Weise senkt.


Ich habe außerdem einen netten Beitrag der Techniker Krankenkasse für euch. Da es ziemlich wenig Lesestoff im Internet gibt, werde ich den Verlauf meiner Schwangerschaft von Zeit zu Zeit hier teilen. Bisher muss ich *Klopf auf Holz* sagen, dass es wirklich gut läuft. Natürlich kann sich das jeden Tag ändern und ich möchte weiß, dass meine eigene Leistung nicht jeden Tag konstant ist, andererseits bin ich dankbar dafür, dass mir das Schwangersein offenbar keine so großen Probleme bereitet und mein Körper von ganz alleine gut damit klar kommt. Dieser Punkt ist aber kein Anzeichen dafür, dass es auch immer so laufen wird und ich weiß, dass ein (anfänglich) guter Schwangerschaftsverlauf keine Garantie dafür ist, dass mein Kind gesund wird. Ich bin mir vollkommen bewusst, dass gewisse Risiken bestehen und Fälle eintreten können, die man sich nicht wünscht, ich lasse mich jedoch von dieser Angst udn Sorge überhaupt nicht lenken. "Ich tue alles, was ich kann und ich versuche jeden Tag, mein Bestes zu geben." Dieser Satz begleitet mich jeden Tag, vor allem wenn meine Zuckerwerte mal nicht optimal sind (gerade war er unerklärtlich bei 200; also wirklich weit außerhalb des Zielbereiches), denn ich weiß, dass neben schlechten Werten vor allem auch schlechte Stimmung, Angst und Panik ganz schlecht für meine und die Gesundheit meines Babys sind.


XX Valentina



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