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Schwangerschaft und Social Media

Welchen Eindruck vermitteln uns Influencer beim Thema Schwangerschaft? Und warum teilt jeder eigentlich alles darüber? Und der Hate gegen Umstandsmode, woher kommt der? In diesem Beitrag teile ich meine Gedanken zum Thema Schwangerschaft und Social Media mit euch.



Ich habe etwa 8 Monate vor der Schwangerschaft angefangen, mich mit dem Thema zu beschäftigen. Das hing primär mit der nötigen Vorbereitung meines Diabetes zusammen.

Das traf sich aber sehr gut mit der Tatsache, dass während bzw. nach der Pandemie jeder und seine Mutter schwanger war und mein Feed somit rappelvoll mit Babybäuchen, Storys rund um das Thema Schwangerschaft und Kind war.

Auch der Algorhytmus auf TikTok hat seine Arbeit erledigt: einmal was gelikt, schon wird einem nichts anderes mehr vorgeschlagen, sodass ich seit Monaten nichts sehe, außer Schwangere.


Die vielen Videos und Storys haben natürlich ein ganz besonderes Bild vom Schwangersein in meinen Kopf gebrannt. Vor allem deswegen, weil es wirklich ausnahmslos von allen Frauen wiedergegeben wurde.


Ich hatte das romantische Bild vom positiven Schwagerschaftstest auf dem Badezimmerboden sitzend im Kopf. Mit Tränen überlaufene Wangen und viel Freude. Leider wurde diese Vorstellung nicht ganz erfüllt, denn ich habe "nebenbei" im Krankenhaus erfahren, dass unser kleines Wunder auf dem Weg ist. Für einen Schwangerschaftstest war es damals viel zu früh und nur durch die Blutkontrollen im Krankenhaus konnte die Schwangerschaft überhaupt so schnell festgestellt werden, weil es eben noch seeeehr früh war.

Dementsprechend habe ich es auch nicht mit positivem Test, einem Babybody oder sonst einer romantischen Vorstellung meinem Mann sagen können. Und der war, angesichts der Sorgen, die er sich um mich gemacht hat, auch sehr überrascht von diesem Ergebnis. Wir haben uns natürlich beide gefreut aber so einen sensiblen Moment hätte ich lieber alleine Zuhause mit ihm gehabt, als stationär im Krankenhaus zwischen Infusion und Urinbechern. Das hat zwar keine Auswirkung auf die Freude, die man verspürt aber es ist eben nicht das, was man so im Kopf hat, wenn man an die Verkündung einer Schwangerschaft denkt.



Krass! Ich bin schwanger. Nachdem die Überraschung verdaut war, war mir plötzlich auch klar, weshalb ich die letzten Tage so müde war. Komischerweise hatte ich aber keine anderen Symtome. Und das zog sich bis zur 7. Woche.

Alle, ausnahmslos alle reden non-stop über diese Schwangerschaftsübelkeit und wie sie einem die Lust am Leben nimmt und ich hatte: gar nichts. Meine Verdauung hat zwar 10 Schritte langsamer gemacht aber Übelkeit konnte ich weit und breit keine verspüren. An keinem einzigen Tag bisher. Und das hat mich tatsächlich sehr nervös gemacht. Vor allem bis zum 1. Termin bei meiner Frauenärztin. Ich war unfassbar aufgeregt und natürlich habe ich befürchtet, dass sich die Schwangerschaft nicht weiterentwickelt hat und wir nach der ganzen Aufregung und Freude doch enttäuscht werden. Konnte das sein? Ich habe noch kein TikTok gesehen, auf dem die Schwangere nicht über Übelkeit geklagt hat. Ist bei mir alles in Ordnung? Es kann doch nicht sein, dass es mir soo gut geht. Ich mache jeden Tag Sport, ich habe keine Gelüste, keine Abneigungen, keine Beschwerden. Ich war am Ende des Tages deutlich erschöpfter als sonst aber andere Probleme gibt es nicht. Ich war mir sicher, dass etwas nicht in Ordnung ist. Kann ja nicht sein, dass sich 100% der Frauen beschweren und ich einfach keine Beschwerden hab. Mich hat das wirklich verrückt gemacht.

Nach dem Termin bei der Frauenärztin habe ich mich natürlich etwas entspannen können, Beschwerden blieben weiterhin aus und ich fühlte mich größtenteils wirklich gut.

Ich habe lange gebraucht, um das zu verstehen. Ich war so überzeugt davon, dass es einem in der ersten Zeit der Schwangerschaft mieserabel gehen muss, dass ich absolut nicht einsehen konnte, dass es mir einfach gut geht. "Aber die anderen", habe ich mir oft gedacht.


Da wir die Neuigkeiten persönlich übermitteln wollten und dafür den ersten Termin und die Bestätigung vom Arzt abgewartet haben, konnte ich in den ersten Tagen auch mit niemanden darüber reden, was natürlich schwierig ist, denn es ist einfach eine mega große Sache, durch die ich das erste Mal gehe. Man macht sich sofort Gedanken, ob man alles richtig macht. Das ist einfach so. Und dann war ich eben alleine mit meiner Angst, dass etwas nicht in Ordnung sei, nur weil alles in Ordnung ist.



Jeder Körper ist anders, jede Schwangerschaft ist anders. Normalerweise bekommen wir auf sozialen Netzwerken immer nur die schönste und romantischste Form von allem zu sehen, nicht aber bei Schwangerschaften. Ich zumindest nicht. Auch hier muss klar sein: nur weil 90% der Menschen im Internet etwas erzählen, muss das nicht das Normal sein. Vielleicht sind diese 90% nur 10% aller Schwangeren. Ich habe mich lange davon verunsichern lassen, was natürlich für innerliche Unruhe gesorgt hat. Im Endeffekt tut mir das dem kleinen Wesen in meinem Bäuchlein gegenüber leid, denn diese Sorgen wären ohne den Einfluss von Influencern und Co. niemals entstanden, denn in meinem privaten Umfeld habe ich nach und nach immer wieder von Frauen gehört, dass sie sich kein einziges Mal während der gesamten Schwangerschaft übergeben mussten und plötzlich schien mir das alles nicht mehr so ungewöhnlich.


Außerdem frage ich mich, warum und wann der Hate gegenüber Umstandsmode entstanden ist. "Ich kaufe mir sicher keine Umstandsmode" oder "Weil ich mir keine Umstandsmode kaufen werde..." "Ich sehe es nicht ein, Geld für Umstandsmode auszugeben" und ganz viele weitere solcher Aussagen gehörten zum täglichen Sprachgebrauch aller Influencer, denen ich folge. Ich kann verstehen, dass viele von Ihnen Zuhause in Leggings und Oversize-Shirt rumlaufen oder auf Events das anziehen können, was sie wollen aber leider ist das nicht die reale Welt. Für viele zumindest nicht. Seit dem ersten Tag war klar, dass ich, sofern alles gut läuft, bis 6 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin arbeiten werde. Und hier wurde mir auch sofort klar, dass ich definitiv Umstandsmode brauchen werden, denn ich kann nicht in Leggings und Shirt zur Arbeit gehen. Ich habe einen gewissen Dresscode einzuhalten und ich möchte auch nicht jeden Tag in Schlabber-Kleidung rumlaufen. Vor allem wurde mir sehr schnell klar, dass ich meine Kleidung nicht so lange tragen können werde. Die Sachen waren ziemlich schnell sehr eng und ich den ganzen Herbst und Winter über schwanger sein werde, werde ich einfach nicht drumherum kommen, mir passende Kleidung kaufen werde.

Vor allem Ersteres trifft ja nicht nur auf mich alleine zu. Was ist denn mit Frauen, die in der Bank arbeiten oder beim Anwalt? Angestellte bei Steuerberatern und Sekretärinen von CEOs? Die können sich auch nicht alle erlauben, in Jogginghosen und Hoodies vom Partner zu kommen.

Ich kann verstehen, dass man sich nicht komplett neu eindeckt und Unmengen an Geld für diese vegleichsweise kurze Zeit ausgeben will aber ein vollkommener Boykott dieser ganzen Abteilung kam mir nie in den Sinn. Was ist denn mit Events wie Hochzeiten, Jubilän oder Geburtstage während der Schwangerschaft? Meiner Meinung nach wird sooo sehr gegen Umstandsmode gehetzt, was einerseits gar keinen Sinn macht, weil es einfach jedem selber überlassen ist und andererseits hat diese eine absolute Daseinsberechtigung.



Obwohl ich der Meinung bin, dass wir uns im Internet viel zu oft und zu stark von Postings anderer angegriffen fühlen und deswegen auch die meisten Beiträge nicht persönlich nehme und ignoriere, gingen mir diese ganzen Aussagen auf die Nerven, weil sie einfach ein falsches Bild verbreiten. Das wird einem erst dann bewusst, wenn man selber in dieser Situation steckt und das führt vielleicht bei dem ein oder anderen zu Enttäuschungen. Daher finde ich es ebenso wichtig, immer wieder aufzuzeigen, dass es auch immer eine andere Seite gibt.


Was das Teilen der Schwangerschaft betrifft, haben mein Mann und ich zwei verschiedene Ansichten. Mir war es wichtig, dass wir all unsere Verwandte und Freunde persönlich informieren und dass es keiner über einen Post auf Instagram erfährt. Bereits in der 6 Schwangerschaftswoche haben wir Stück für Stück die freudige Nachricht verbreitet. Durch die Urlaubszeit hat sich das natürlich alles etwas in die Länge gezogen, was jedoch kein Problem war, denn wir hatten ja keine Eile. Nachdem ich dann einen Monat Digital Detox eingelegt hatte, wollte ich es dann nicht mehr für mich behalten und habe zu unserem Hochzeitstag ein Bild von meinem Bauchi gepostet. Ich hatte dann angefangen immer mehr über das Thema Schwangerschaft im Zusammenhang mit einem Typ 1 Diabetes zu posten, da dieses Thema einfach nicht besprochen wird und Betroffene definitiv mehr Erfahrungsberichte brauchen (ich kann aus eigener Erfahrung sprechen). Ich war beeindruckt von den vielen Kommentaren und Likes unter meinem Post. Und auch mein erster Blogbeitrag erreichte 250% mehr Reichweite als andere Beiträge auf meinem Blog. Und das wiederholte sich von Beitrag zu Beitrag. Aber nur bei denen, die das Thema Schwangerschaft aufgreifen. Plötzlich war mir klar, warum große Influencer nur noch eins kennen, wenn sie Nachwuchs erwarten: es bringt Reichweite und Engagement. Und das wiederum bringt Geld.

Auf der einen Seite ist es irgendwie komisch, mit dem ungeborenen Baby Geld zu machen auf der anderen Seite: so ist die Welt nunmal (inzwischen).

Am Anfang habe ich mich schwer getan mit der Entscheidung, was ist richtig und was ist eine angebrachte Menge an Beiträgen zu diesem Thema, mir wurde aber immer schneller klar, dass es die Leute brennend interessiert. Es gibt also fast kein "zu viel". Außer natürlich für die, die das Thema überhaupt nicht interessiert. Aber das trifft ja auf ausnahmslos jedes Thema zu über das man schreiben / posten kann. Ich muss ehrlich sagen, dass ich immer noch keine klare Meinung zu diesem Thema habe. Ist das Kind damit schon involviert oder betrifft die Schwangerschaft eigentlich nur mich? Ich weiß es nicht.


Interessante Doku: Schwangerschaft als Business - der Hype ums Baby (ARTE)


Das war so das, was ich aktuell zu diesem Thema sagen kann und möchte. Wie schon gesagt, ich kann manche Sachen einfach überhaupt nicht nachvollziehen, andere haben mich total verunsichert, weshalb ich hier einfach mal teilen wollte, dass es auch eine andere Seite gibt. Mich würde noch interessieren, wie ihr zu den Themen steht und ob Social Media euch schon einmal ein vollkommen falsches Bild von etwas vermittelt hat.


XX Valentina

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